Lange stritten sich Experten: Fruchtbare, äußerst seltene Schwarzerde kann doch nur natürlichen Ursprungs sein, oder? Oder hatten da Menschen ihre Hände im Spiel? Es ging unentschieden aus: „Sowohl, als auch!“ Jedenfalls birgt diese Schwarzerde ein riesiges Potential, das wir uns mit Blick auf unsere kaputten Böden dringend näher anschaun’ sollten.
Naturgemacht
Schwarzerde, auch Tschernosem genannt, prägt die Steppen der nordamerikanischen Prärie, der Ukraine und Süd-Russlands. Aber auch im Weinviertel und im Burgenland sowie vereinzelt in Deutschland findet man diesen magischen, äußerst humosen Untergrund.
Meist hat die Natur ihn geformt, über große Zeiträume hinweg. Selbstentzündende Steppenbrände verkohlten immer wieder die Vegetation und lieferten eine bedeutende Zutat: Pflanzenkohle (entspricht Holzkohle). Sie reicherte sich langsam im Oberboden an und erklärt die pechschwarze Farbe von Schwarzerde.
Menschengemacht
Es gibt jedoch auch menschengemachte Schwarzerde: Terra Preta do Indio („indianische Schwarzerde“). Ein Relikt prähistorischer Hochkulturen am Amazonas, das bis vor wenigen Jahren Wissenschaftlern noch ziemliches Kopfzerbrechen bereitete: Sie hatten keine Erklärung dafür!
Heut’ sind wir g’scheiter und wissen um das Potential der Terra Preta Bescheid: Bodenfruchtbarkeit erhöhen, Spritzmitteleinsatz in der Landwirtschaft vermindern, ja, sogar Klimawandel aufhalten! Das alles soll Terra Preta angeblich draufhaben.
Im gesamten Einzugsgebiet des Amazonas wurde Terra Preta nachgewiesen. Unzählige kleine Flächen, nicht größer als 3 Hektar, angelegt auf niedrigen Anhöhen beim Amazonas und seinen Zuflüssen und dadurch vor Überflutung geschützt. Insgesamt macht das satte 154.063 Quadratkilometer aus! Ganz schön viel.
Wenn all der Kohlenstoff, der in Terra Preta gebunden ist (pro kg ist das rund 7 mal mehr als in umliegenden Böden), als CO2 in die Atmosphäre entweichen würde, wäre der Klimawandel womöglich schon weiter fortgeschritten. Kann das mal bitte jemand nachrechnen? Das wär’ doch der Hit, wenn die brasilianischen Ureinwohner vor 500 bis 2500 Jahren den bisher größten Beitrag zur Reduktion des Klimawandels geleistet hätten, lange bevor dieser überhaupt eintrat! Ein interessanter Gedanke.
Terra Preta besteht aus …
…Überresten von Pflanzenkohle, Tonscherben, Knochen, Schildkrötenpanzern, Asche, Fischgräten, sowie tierischen und menschlichen Fäkalien.
Die Pflanzenkohle ist äußerst wichtig für die Fruchtbarkeit des Bodens, denn sie bietet Unterschlupf für Millionen von Mikroorganismen, die organisches Material wie z.B. Erntereste, Küchenabfälle und menschliche Fäkalien zersetzen und die enthaltenen Nährstoffe in den Kreislauf rückführen. Sie fördert den Aufbau von Humus (mehr dazu in diesem Blogbeitrag).
Doch die Pflanzenkohle kann noch was: CO2 langfristig im Boden speichern! Jedes Molekül CO², das von der Luft über die Pflanze in die Pflanzenkohle und schließlich in den Boden wandert, verlangsamt die globale, menschengemachte Erwärmung. Unser Partner, die Firma Sonnenerde, hat sich intensiv mit den positiven Umwelteffekten von Pflanzenkohle beschäftigt und erzählt hier davon (etwas runterscrollen). Und auch wir haben schon mal über Kohle berichtet, genauer gesagt über Aktivkohle.
Einer der fruchtbarsten Böden weltweit …
… und von Menschenhand geschaffen. Das bedeutet: Die Ureinwohner des Amazonas haben das Bodenleben besser verstanden als die hochgepriesene Wissenselite der Neuzeit.
Na gut, in den vergangenen Jahren haben wir ein bisschen dazugelernt. Es gibt aber noch genug Fragezeichen und auch kritische Stimmen, die meinen, dass der Hype um Terra Preta vollkommen unbegründet ist.
Fakt ist aber, dass wir uns ein Scheibchen von dieser vergangenen Hochkultur abschneiden sollten, wenn wir der permanenten Degradation unserer Böden und dem Klimawandel entgegenwirken wollen. Unabhängig davon wie gut Terra Preta dann wirklich wirkt: Die Indios hinterließen fruchtbaren Boden. Auf unsere Ackerflächen folgt hingegen bloß Ödland. Das sollte uns schon zu denken geben.
Interessante Zusatzinfo: Tropische Böden sind nährstoffarm
Am Amazonas wächst und gedeiht alles prächtig, nicht? Wie kommt es dann, dass die Böden relativ nährstoffarm und kaum für Pflanzenbau geeignet sind?
Tropische Böden weisen generell eine sehr hohe Verwitterungsrate auf. Auf gut Deutsch heißt das: Die Bananenschale am Boden wird aufgefressen, zersetzt oder vom Regen weggespült, bevor sie zu Humus werden kann. Stattdessen zirkulieren die Nährstoffe in Flora und Fauna an der Oberfläche und werden kaum Teil der langsamen Zersetzungsprozesse im Boden.
Im Regenwald werkt ein ausgefeiltes und höchst sensibles Ökosystem, dessen Organismen in kurzer Zeit stark gedeihen und ebenso schnell wieder sterben: Ein rasender Kreislauf aus Leben und Tod, fast schon radikal! Ohne dem Wald, den vielen Pflanzen und Tieren ist das Land jedoch nährstoffarm. Ob Ackerbau möglich ist, hängt dann ausschließlich von der Humusschicht ab, und diese ist sehr dünn. Umso bemerkenswerter ist die Leistung der Indios, die’s geschafft haben, meterdicke, stabile Humusschichten aufzubauen!
Wenn nun Regenwald abgeholzt und der Boden für Ackerbau kultiviert wird, geht die Humusschicht langsam aber unwiderruflich flöten. Erosion durch Sonne, Wind und Wasser schwemmen den Humus weg und schon muss der liebe Großkonzern als Nährstofflieferant einspringen. Spritzmittel statt ordentlicher Bodenbewirtschaftung. Chemie statt Nachdenken. Quasi Gewaltanwendung damit’s doch noch irgendwie klappt, aber im Grunde gegen uns selber: Fruchtbarer Boden könnte in ferner Zukunft mehr Ausnahme als Regel sein.
Auf der linken Seite des Fotos erkennt man die dicke Humusschicht der Terra Preta. 2 Meter misst sie meist, Spitzenwerte liegen bei sage und schreibe 4 Metern! Europas Böden bieten gerade mal ≤30cm, Trend abnehmend.
Auf der rechten Seite ist der natürliche Untergrund des brasilianischen Regenwalds zu sehen. Er ist meist rot und/oder gelb gefärbt, sauer, sehr nährstoffarm und weist hohe Eisen- und Aluminiumgehalte auf. Daher der Name „Ferralsol“: Ferrum (lat.) = Eisen, Alumen (lat.) = Aluminium, Boden (fr.) = Sol.
Millionen von Menschen, mitten im Dschungel
Es drängt sich zunehmend die Gewissheit auf, dass es im Dickicht des brasilianischen Amazonas eine Hochkultur gab, die aus ungefähr 5 Millionen Menschen bestand. Vereinzelte Meinungen gehen sogar von 25 Millionen aus. Wann diese Population ihren Zenit überschritt, ist ungewiss, aber verschiedene Proben von Terra Preta weisen ein Alter von 500-2500 Jahren auf (manche sogar 4000 Jahre).
Die Landwirte wandten Bewirtschaftungsmethoden an, die heute so nicht mehr existieren. Gärten inmitten von Wald, aus mehreren Vegetationsetagen, die in Symbiose zusammenlebten, sich gegenseitig Schutz und Nährstoffe schenkten. Die oberste Schicht bildeten hohe Schirmbäume, die Sonneneinstrahlung und heftige Niederschläge abmilderten. Darunter gediehen Bananenstauden, Avocadobäumchen und Zitrusfrüchte prächtig. Am Boden wuchsen Mais, Bohnen und Kürbis, die bekannteste Mischkultur der indigenen Völker. Gemüse und Heilkräuter waren an den übrigen freien Stellen am Boden zu finden.
Der Dschungel ist heftigen Einwirkungen durch Wind und Wetter ausgesetzt. Die geschlossene Vegetationsdecke hält ihnen stand und speichert Wasser und Nährstoffe wie ein Schwamm.
Der Waldgarten übertrifft die heutigen industriellen Monokulturen in Sachen Ertragsleistungen deutlich. Überdies wird Humus auf-, nicht abgebaut. Seinen Gärtnern liefert er Energie, Baustoffe, Früchte und Gemüse.
Bemerkenswert: Hilfsmittel und Methoden wie Rad, Pflug, Viehzucht sowie Tiere für Landarbeit standen den indigenen Bewohner des Amazonas nicht zur Verfügung. Dafür natürlich mehr Arbeitskraft.
Terra Preta + Wohnwagon?
Was bitte hat denn jetzt Terra Preta mit Wohnwagon und selbstbestimmtem, autarkem Leben zu tun?
Sehr viel! Uns geht’s um das Verständnis von Kreisläufen. Wir wollen zeigen: Der Mensch muss nicht unbedingt ein „Störfaktor“ für die Natur sein, man kann auch echt was Positives bewirken.
Es geht darum, Systeme zu installieren, die aus Mensch und Natur bestehen und für beide gleichermaßen funktionieren. Über Jahrhunderte hinweg – nicht nur ein paar Jahre und dann is alles hin. Wir profitieren von Natur und umgekehrt!
In unserem Wohnwagon haben wir versucht einen ersten Ansatz dafür zu liefern und mit der Firma Sonnenerde eine spezielle Einstreu für unsere Biotoilette entwickelt: Steinmehl, Biofasern und Pflanzenkohle! Nicht nur die Indios, sondern auch wir experimentieren mit Pflanzenkohle. Die Kohle bindet Gerüche, entzieht Wasser und fördert die Kompostierung der Ausscheidungen. (mehr dazu hier) Aber vor allem liefert sie die Grundlage um irgendwann vielleicht mit der richtigen Kompostierung aus den gesammelten Ausscheidungen eben solche Terra Preta Erde zu machen. Das wär’s doch!
Es geht weiter
Im nächsten Beitrag legen wir Hand an – Hobbygärtner und leidenschaftliche Klimaverbesserer aufgepasst: Wie kann ich Terra Preta selbst herstellen?
Die Biotoiletten-Einstreu gibt’s natürlich in unserem Webshop:
Weiterführende Links:
- ithaka-Journal: Sammelsurium aus Wissen zum Thema Klimafarming, Pflanzenkohle uvm.
- Terra Preta do Indio: Eine Facebook-Gruppe, die Wissen und Erfahrungen um Terra Preta open sourct.
Quellen:
- “Terra Preta – Die schwarze Revolution aus dem Regenwald” von Ute Scheub, Haiko Pieplow und Hans-Peter Schmidt
- http://www.sciencedaily.com/releases/2006/03/060301090431.htm
- http://www.css.cornell.edu/faculty/lehmann/research/terra%20preta/Soil%20Science%20170,%20222-223,%202005.pdf
- http://awentis.com/21/terra-preta-la-tierra-siempre-fertil.html#.VcnOLyqqqkp
- http://hernehunter.blogspot.co.at/2014_05_01_archive.html
- http://wendepunktzukunft.org/2013/03/06/terra-preta-was-ist-dran/
- http://www.whg-lu.de/is2000/avh/regenwald/zerstoerung.htm#Weideland