Nischen der Unabhängigkeit

Irgendwie wollen wir doch alle unabhängig sein. Von unseren Eltern, unserem Chef, den öffentlichen Verkehrsmitteln, oder dem kapitalistischen System. Wer den Weg der Unabhängigkeit geht, merkt schnell: So einfach ist’s nicht. Manche Abhängigkeiten bleiben bestehen, so sehr man sich auch bemüht. Und so findet man sich damit ab, schafft Nischen der Unabhängigkeit im eigenen Leben und erlangt so zumindest eine Teilfreiheit zurück. Gar ned so einfach! Axenia hat ein paar spannende Gedanken rund um Selbstversorgung zusammengetragen.

Der folgende Beitrag stammt von Axenia Schäfer, Chefredakteurin bei QUICUMQUE – Zeitschrift für autarkes Leben.

 

Wer wollte nicht frei und unabhängig sein?

Wahrscheinlich würde eine breite Mehrheit nickend zustimmen, wenn man sie fragte. Ebenso wahrscheinlich würde jeder Einzelne etwas anderes unter Freiheit und Unabhängigkeit verstehen: der eine, dass er die Annehmlichkeiten des modernen Lebens uneingeschränkt nutzen kann, die andere, dass sie es schafft, auf den gängigen Lebensstandard weitgehend zu verzichten. Ein dritter sieht sich vielleicht nur dann frei und unabhängig, wenn er fernab der Zivilisation versuchen darf, im Einklang mit der Natur zu leben.

Es dürfte egal sein, welchem Typus man sich zurechnet: man wird als Mensch allenfalls Nischen der Unabhängigkeit bilden können. Das hat damit zu tun, dass wir am langen Ende von Produktionsketten stehen, an denen Mitmenschen und Maschinen beteiligt sind. Auch der Selbstgenügsamste benutzt in der Einöde gerne das ein oder andere Kulturgut: ein Messer, ein Gefäß zum Kochen, Kleidung, Salz. Und der Genießer braucht Energie, die in der Regel andere produzieren und liefern. Es gibt immer etwas, das man nicht alleine herstellen oder bewerkstelligen kann. Mit Erwerb eines Grundstocks an Dingen, auf die man nicht verzichten möchte, lässt sich freilich der Unabhängigkeitsgrad wenigstens für einen bestimmten Zeitraum erhöhen und bildet so Nischen der Unabhängigkeit.

Wo und wie kann man Teilfreiheit erlangen, wenn man nicht unbedingt zurück zu den Ursprüngen will, wenn man sich nicht einmal sonderlich um die Organisation der Zukunft sorgt, aber vielleicht den Gedanken spannend findet, wenigstens partiell unabhängig zu sein von komplexen und vom Einzelnen nicht steuerbaren Versorgungsketten?

Nischen der Unabhängigkeit entstehen mittels neuer Techniken genauso wie mit altem und bewährtem Wissen: Zeichnen sich beispielsweise Probleme in der großflächigen Stromversorgung ab, weil die Infrastruktur marode ist oder neue Formen der Energiegewinnung noch nicht stabil integriert sind, kann ich darauf mit der Entwicklung besserer und angepassterer Technik reagieren. Trassen und Kraftwerke können modernisiert oder der Ausbau privater Stromspeicher gefördert werden. Aber ich kann auch einen Haushalt so ausstatten, dass er eine ganze Weile stromunabhängig läuft, nämlich mit einem Holzherd, einer gefüllten Vorratskammer und einer Zisterne.

Der größte Unterschied zwischen den beiden Herangehensweisen besteht darin, dass Technikfolgenbewältigung durch neue Techniken Expertenwissen voraussetzt. Das ist meist nur in nationalen und internationalen Zusammenhängen realisierbar, weil etwa Gesetze angepasst oder Rohstoffe abgebaut, gehandelt, transportiert und verarbeitet werden müssen. Komplexes Geschehen ist oft nur durch komplexe Aktionen beherrschbar, denen der Einzelne, zumindest solange es um Produktivität geht, eigentlich ohnmächtig gegenübersteht.

Demgegenüber ist die Technikfolgenbewältigung im Einzelhaushalt vornehmlich abhängig von dessen finanziellen, räumlichen und rechtlichen Möglichkeiten. Dabei hat es ein großer Haushalt mit 10.000 qm Land und ohne Nachbarn mit der Nischenbildung etwas einfacher als der Mieter einer 60 qm großen Wohnung im fünften Stock mitten in der Stadt.

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Einfacher heißt jedoch keineswegs unaufwändiger. Selbstversorgung ist zeit- und arbeitsintensiv. 

Es macht keinen Unterschied, ob man neueste Entwicklungen oder über Jahrzehnte und Jahrhunderte bewährte Kulturtechniken verwendet: Selbstversorgung erfordert geistige Auseinandersetzung, denn nur mit Wissen lässt sich herausfinden, welchen Grad an Autonomie man erreichen will und kann. Zumindest gilt das, wenn man in der Ausstattung der Unabhängigkeitsnischen erfolgreich sein will und es obendrein Freude machen soll.

Selbstversorgung fordert Planung, denn nur mit einem guten Konzept, was man wann, wo, wie und aus welchen Gründen erreichen möchte, kann man darauf hoffen, dass Ideen Wirklichkeit werden und im Alltag tragen. Geht es um das Beherrschen von manuellen Techniken, muss man beständig üben wie ein Musiker. Zu guter Letzt fordert Selbstversorgung körperlichen Einsatz, insbesondere beim Gartenbau, bei der Tierhaltung, beim Holzmachen und beim Konservieren von Nahrungsmitteln. Will man obendrein unabhängig von radikalen Unabhängigkeitsphantasien sein und Freiheit praktizieren, braucht es frohen Mut, gute Laune und Großzügigkeit gegenüber anderen und sich selbst.

 

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Der Anfang ist gemacht: Wasser, Brennmaterial und Holzherd. 

 

 

AutorIn

Das Wohnwagon-Team

berichtet über seine Erfahrungen und gibt dir Tipps & Tricks für Deinen Weg zur Autarkie

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