Der Wert der Dinge

Das Mantra unserer Zeit: „Billiger ist besser“. Konsum spielt in unserem Leben eine so große Rolle. „Shoppen“ ist zum salonfähigen Hobby geworden. Aber woher kommt diese Lust nach Konsum? Ist das angeboren?

 

Was wir eigentlich wollen

Zwei ganz tiefe Bedürfnisse sind in unserem Gehirn angelegt, seit wir als kleine Gurke im Uterus herumgeschwommen sind: Verbindung und Wachstum. Wir wollen dazugehören (am Anfang einfach zur Mama, später zu anderen Menschen) und wir wollen uns entwickeln, unser volles Potential ausnutzen. Danach streben wir.
Sobald wir auf die Welt kommen, ist aber Schluss mit bedingungsloser Verbindung und individuellem Wachstum. Wir lernen: Anpassung, uns in eine Form zwängen, nicht irgendwo hin wachsen, sondern schön in die vorgegebenen Bahnen! Wir machen einfach nach was wir sehen.

 

Erlernte Denkmuster sind hartnäckig

Gerald Hüther sagt so schön in seinem Vortrag über Konsum: „Wenn man das was man braucht nicht kriegt, nimmt man sich das was man haben kann.“ So fangen wir also an, ungestillte Bedürfnisse mit Ersatzgütern zu befriedigen.
Weil wir nicht wahrgenommen werden, in dem wie wir sind und was wir brauchen, suchen wir nach Ersatzbefriedigungen. Und die Wirtschaft freut sich über viele Menschen mit ungestillten Bedürfnissen. Anerzogener Konsum also.

 

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Eigentlich verrückt

…wie sich die Wirtschaft an uns bedient.

Wir werden in eine Gesellschaft geboren, wo der Glaube an Mangel den Alltag bestimmt. Die Werbung redet uns ein: Du bist nicht genug, so wie Du bist. Wir brauchen Make-up und schönes G’wand, tolle Autos und einen Sixpack, erst dann sind wir was.
Nur wenn es den Status eines Menschen erhöht, hat heute noch etwas einen Wert. Nur dann ist es gerechtfertigt, dass ein Produkt teuer ist.
Aus diesem Mangel heraus konsumieren wir bis zum Umfallen. Und werden doch nicht glücklich auf der Jagd nach dem nächsten Schnäppchen.

 

Billig. Billiger. Banane

Wie weit würden wir für einen billigen Preis gehen?
Der Preis einer Ware im Supermarkt spiegelt schon lang nicht mehr wider, was sie wirklich kostet. Lebensmittel sind heute so billig wie noch nie! Wahrscheinlich schätzen wir sie daher auch nicht sehr. Viel zu viel Essen landet bei uns im Müll, nicht nur in den Geschäften, auch in Privathaushalten.

Man muss sich das mal vorstellen: Nach dem zweiten Weltkrieg wurden noch ca. die Hälfte des Familieneinkommens für Lebensmittel ausgegeben! Heute sind es weniger als 11%!
Das ist nicht grad so, weil wir so massig verdienen! Der Preis für Lebensmittel entspricht nur nicht seinem wahren Wert.

Bananen

 

Beispiel: Billiges Rindfleisch! Billiges Rindfleisch?

Schauen wir uns die Kosten für 1kg Rindfleisch genauer an: Zuerst muss man vermutlich bei den Kosten für die Befruchtung der Mutterkuh anfangen, dann kommen Tierarztkosten dazu. Später die Kosten der Geburt und dann mal das ganze Wasser (pro Kilo Rindfleisch sind das 15.000 Liter). Futterkosten für das Heu und Gras (im Idealfall – diverser anderer Futtermittelwahnsinn ist aber wahrscheinlicher), das sie isst, was ja auch irgendwie produziert werden muss. Der Tierarzt, die Medikamente, die Arbeitsstunden des Bauern, der Transport zum Schlachthof, die Arbeit des Metzgers, die Verpackung (muss auch produziert werden) und der Spritpreis, der CO2-Ausstoß für den Transport des Fleischs zum Supermarkt und die Arbeit des Supermarktverkäufers hinter der Wurstbudel.
Das macht dann bitte 11 Euro. Darf’s sonst noch was sein?

Und das glauben wir dann im Ernst? Freuen uns noch über das Schnäppchen?

 

Danke Subventionen, danke EU!

Wir denken, wir bezahlen nur die 11€. Dabei greifen wir Steuerzahler für das Kilo Fleisch viel tiefer in die Tasche als wir glauben. Und nicht nur für das Kilo, das wir gekauft haben. Wie viele Kilos, liegen hinterm Supermarkt in abgesperrten Mülltonnen? Auch die haben wir subventioniert. 1,8 Milliarden Euro pro Jahr fließen allein in Deutschland an staatlichen Subventionen in die Fleischproduktion.

Aber solange wir unsere Lebensmittel durch Subventionen billiger bekommen, ist doch alles gut, oder? Naja…
Subventionen machen die Produkte unserer Bauern billiger und daher wettbewerbsfähiger im Vergleich zu anderen Produkten. Dadurch verzerrt sich aber der Preis für Lebensmittel: Wir können die Kosten nicht mehr klar einschätzen! Das Bio-Gemüse vom nicht subventionierten Kleinbauern wirkt plötzlich unbezahlbar. Und: Wir ruinieren damit langfristig nicht nur unsere Märkte sondern auch die Märkte der Länder, in die wir exportieren!

 

Augen zu und durch

Auch Billiges hat also seinen Preis. Wir sehen den nur eben nicht sofort. Wir akzeptieren schlechte Arbeitsbedingungen und umweltschädliche Produktionsweisen, wenn wir die Auswirkungen nicht mit eigenen Augen sehen müssen. Andere Menschen in fernen Ländern zahlen den Preis dafür. Solange wir nicht die Verantwortung tragen müssen, gehen wir gern shoppen.

Irgendwie schiarch, diese Zusammenhänge zwischen Billigprodukten und ihren Auswirkungen.

 

Wieso dürfen Dinge heute nicht mehr viel kosten?

Ich denke es hängt mit unserer Mentalität zusammen.
Denn leider haben wir mit dem billigen Preis auch unsere Wertschätzung für die Dinge verloren.
Ding kaputt? Ersetz ma einfach!
Es ist ein Teufelskreis: Kaufen, sich freuen, vergessen, weggeben und ersetzen.

 

Meine Wunschliste – die endlose Geschichte

Als Jugendliche hatte ich eine Wunschliste: Ipod, Trenchcoat, eine blaue Kette. Bekomm ich das, bin ich glücklich! Monate später ist trotz teilweiser Wunscherfüllung die Liste nicht kürzer geworden, nur die Dinge sind andere!

Wieso ist das so, frage ich mich?

Es braucht eine Strategie der Reduktion. Und vor allem eine Einstellungsänderung. Mal was Neues, Schönes besitzen? Kein Problem, aber dann mach auch was draus! Nutz das Ding, schätz es, lern es kennen und finde raus wie Du es instand hältst, wie Du es reparieren kannst oder wo es einen Spezialisten gibt der das kann.

 

Den Dingen den Wert zurück geben

Was ist uns wirklich wichtig? Dinge, mit denen wir eine Erinnerung verbinden, Dinge die wir täglich in unserem Leben brauchen, nutzen, über die wir uns jeden Tag freuen. Geschenke von Menschen, die uns lieb sind. Alles andere wird oft kurz nach dem Erwerb wieder ins Eck gelegt und vergessen – weil es nicht wirklich ein Teil unseres Lebens wird!

 

Gegenstände schätzen lernen

Eine Übung dazu, die mir geholfen hat: Schreib jeden Abend auf, wofür Du an diesem Tag dankbar bist. Kann noch so klein sein, irgendwas fällt einem immer ein. Eine Begegnung? Ein Lachen? Ein schöner Moment?
Es ist so einfach: Dinge schätzen und die Arbeit dahinter sehen. Das gibt den Dingen den Wert und die Würde zurück, die sie verdienen.

 

Nehmen wir’s also selbst in die Hand

Wir müssen aktiv entscheiden, ob wir einen Gegenstand brauchen. Dann liegt es an uns zu bewerten: Wie kann ich es zum Teil meines Lebens machen? Was ist mir das Produkt wert? Bei mir hat das meist zu zwei Antworten geführt: Entweder ein Ding ist mir nichts wert, weil es mein Leben nicht besser macht und ich es im Grunde nicht viel verwenden werde. Oder ein Ding wird Teil meines Alltags, meines Lebens, dann ist es mir meist viel mehr Wert als ursprünglich gedacht und ich greife zu einem Produkt, das möglichst lang in meinem Leben bleiben wird. Das ist oft teurer. Na und?

Noch ein anderer Gedanke: Der Wert der Dinge hängt auch mit unserem Selbstwert zusammen. Auch wenn’s schwer ist sich da abzunabeln: Den Selbstwert bestimmen weder andere für uns, noch Konzerne, noch die Werbung. Das haben wir selbst in der Hand!
Tipp für Schnäppchenjäger: Hier wird’s am Billigsten wenn wir einfach aufhören den Selbstwert an Konsum zu knüpfen. Ich bin was Wert. Unabhängig vom neuen Marken-Tshirt, der Größe des Autos oder der funkelnden Uhr. Das wär ein großer Schritt.

Wenn wir das schaffen, entdecken wir plötzlich auch den Wert in allen Dingen. In einem roten Herbstblatt, in einer alten Keksdose, in einem selbstgemachten Pullover.

Also, auf geht’s: Machen wir die Dinge wieder wertvoll. Wir sind es uns wert.

 

Quelle:

Billig. Billiger. Banane, der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=P17MKmZHbMY

Gerald Hüther: https://www.youtube.com/watch?v=M6EjBvAlw2U

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Das Wohnwagon-Team

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